Ein Bild ist ein Bild ist ein Bild…

Approximatives zu den neuen Arbeiten von Robert F. Hammerstiel

Die Photographie "entwirklicht", was sie festhält. Das Photo ist ein Symbol vor allem deshalb, weil es eine Wahl innerhalb der Ordnung dessen trifft, was symbolisiert und ausgedrückt werden kann. (Robert Castel)

Wodurch definiert sich ein (photographisches) Bild? Durch sein Thema, sein Sujet? Durch seine (Im-)Materialität? Durch seine technische Verfahrensweise? Durch seine Ästhetik? Durch seine soziale Gebrauchsweise? Oder lediglich durch seine Rahmung? Das, was sich scheinbar so selbstverständlich als Bild geriert, ist ein komplexes und polyvalentes Bündel kulturaler Zuschreibungen, die auf heterogenen Parametern basieren. 1) Jedes Bild, jede Photographie demonstriert (etwas); diese Geste des Zeigens ist sein/ihr universeller Charakter, seine/ihre Notation. Das Vermögen, etwas photographisch zeigen zu können, ist ein wichtiger Ausgangspunkt der neuen Arbeiten "Salzburger Blätter" von Robert F. Hammerstiel. Das offenkundige Thema dieser Serie sind diverse Blumen, vor allem Rosen. In ihrer Präsentationsweise knüpfen sie an Genrebilder des 19. Jahrhunderts an, ihr Habitus ist das Stilleben. Dieser bildhistorische Verweis - er kann hier auch als Zitat interpretiert werden - ist in seinen Implikationen in mehrfacher Hinsicht konstitutiver Faktor für die "Salzburger Blätter": formal, insoferne es sich um die Verfahrensweise der Reproduktion, Repetition und Imitation handelt, ästhetisch im Sinne einer bestimmten Darstellungsstrategie und thematisch als Frage nach der Präsentationsmöglichkeit von Natur. Photographiertes Geschenkpapier als Bildhintergrund, davor ein "realer" Blumen- oder Rosenstrauß bilden das Ensemble der einzelnen Arbeiten. Diese visuelle Grundidee wird in minimalistischer Weise variiert. In ihren interferentiellen Bezügen wird qua ihrer Inszenatorik das Verhältnis von Vor- und Abbild aufgehoben; lediglich die Vase fungiert als decouvrierendes Moment und ermöglicht für den Betrachter eine visuelle Enttäuschung. Hammerstiel verschränkt damit auch die Charakteristika des Bildmediums Photographie mit dem Material der Bildvorlagen, indem er sich auf deren reproduktive, konfektionistische und substitutive Qualität bezieht. Die daraus resultierenden pikturalen Affairen implizieren nicht nur intramediale, sondern auch gesellschaftspolitische Dimensionen: Die sozialen Aspekte zeigen sich sowohl im Titel als auch im verwendeten Geschenkpapier (Verpackungsmaterial). Die "Salzburger Blätter" können so als visuelle Soziographie gesehen werden, als Thematisierung des sozialen Geschmacks 2). Das Individuelle und Kollektive sowie deren Austauschbarkeit stellen die latenten Reflexionen der Serie dar. Die pikturale Signatur der "Salzburger Blätter", ihr "traité du signe visuel" 3) resultiert so unmittelbar aus der thematischen Struktur. Robert F. Hammerstiel entfaltet daraus ein subtiles Spiel medialer Register. Die Authentizität der Imitation (die photographische Reproduktion des Geschenkpapiers), die Imitation der Authentizität (die "realen" Blumen) werden in den medialen Transfers zu irritativen Strategien der Bildgestaltung, zu "Special Affects" 4). Das Manifeste, Offensichtliche dieser opulenten Arbeit wird zusätzlich durch die spezielle Rahmung gebrochen: als Zitat und Ironie wird der barockisierende Goldrahmen nicht nur zu einer postmodernen Chiffre, sondern verweist erneut auf die Thematisierung des Bildbegriffes selbst, die einen weiteren Akzent der "Salzburger Blätter" darstellt, insoferne die photographische Zeigbarkeit selbst zur Disposition steht (eine Rose ist eine Rose ist eine Rose ...)

  1. Zur aktuellen Diskussion des Bildbegriffes cf. Das Bild nach dem letzten Bild, hg. von Peter Weibel und Christian Meyer, Ausstellungskatalog Galerie Metropol, Wien 1991.
  2. Cf. dazu die umfangreiche Arbeit "Der Stand der Dinge. Österreich" von Robert F. Hammerstiel, die auch als Ausstellungskatalog vorliegt.
  3. In semiologischer Hinsicht cf. dazu Traité du signe visuel. Pour une rhétorique de l'image, hg. von Jean-Marie Klinkenberg u.a., Paris 1992.
  4. Special Affects. The photographic experience in contemporary art, Milano 1989; Giorgio Verzotti spricht hier von einem "spezial mises en abîme".

Carl Aigner, Wien 1992