Die Welt auf den Fotografien des Robert F. Hammerstiel

Oasen …
Saftig grüne Rasenflächen, unkrautfrei und kurz geschnitten, witterungsbeständiges Mobiliar, gepflegte Villenetagen mit mustergültigen Interieurs und alarmgeschützten Einfahrten, gesunde, üppig wachsende und noch dazu völlig pflegefreie Kunstpflanzen, geschmackvoll komponierte Stillleben aus makellosem, immer frischem Plastikobst – so kann man sich die Welt auf Robert F. Hammerstiels Fotografien vorstellen. Und sie bilden nicht nur Ideale ab, sondern sind auch ideale Abbildungen, indem sie sich am Perfektionismus und der glanzvollen Ästhetik von Werbeaufnahmen orientieren.

Made by nature …
Seit den 1980er-Jahren bewegt sich Hammerstiel im Universum der massengefertigten Waren wie Plastiktischtücher, Barbies, Haustieraccessoirs, Kunstrasenteppiche, Fertigteilhäuser oder Yucca-Palmen und umkreist damit die langläufigen Vorstellungen vom trauten Heim, die - auf der Ebene von erwerbbaren Gütern - neben Erfolg und Gesundheit zur Vervollkommnung unseres Glücks beitragen sollen. Von der Natur abgeschaut, aber weit praktischer und benutzungsfreundlicher, werden diese Attrappen nach allen Richtlinien der Fotografie regelrecht porträtiert, mit dem Wissen, dass sie lange bevor sie fotografisch abgebildet werden, eigentlich schon Abbilder sind. Selbst lebende Pflanzen, wie die Yucca-Palme, mit der wir das Südsee-Feeling nach Hause holen, sind eine Replik ihrer selbst, wenn man bedenkt, dass sie millionenfach in einem genormten, wohnzimmertauglichen Format gezüchtet werden. Neben solchen herausgegriffenen Repräsentanten dieser Imitatekultur kommen auch komplette Wohnensembles, wie sie am Fertigteilmarkt angeboten werden, ins Bild, und nicht zuletzt thematisiert Hammerstiel, welche ganzheitlichen Repliken unserer Lebens(t)räume kursieren: "Second Life" oder "Minopolis – die Stadt der Kinder" sind Beispiele dafür.
Ein schaler Beigeschmack lässt sich kaum unterdrücken. Und spätestens, wenn man die Titel der Serien liest, spätestens, wenn man hinter den schönen Schein der gleichförmigen und glatten Szenen blickt, macht sich Unbehagen gegenüber den Private Stories … breit, wie sie etwa im Hausinneren eines Blaue-Lagune-Instant-Schlafzimmers nach amerikanischem Vorbild stillschweigend ausgetragen werden, ein Unbehagen, das sich unweigerlich vor die suggerierte Idylle schiebt und uns BetrachterInnen nicht davon ausklammert, die eigene Situation mitzureflektieren.

Happy Hour …
Kulissen, Versatzstücke, ganze Ersatzwelten ziehen an uns vorüber – "Wunschprojektion ist ein zentraler Begriff für meine Arbeiten", bemerkt Robert F. Hammerstiel, wenn er über Geborgenheit und das Haus als persönliche Schutzhülle oder über Kinder spricht, die von Kindesbeinen an auf ihre zukünftige Rolle in der Konsumgesellschaft konditioniert werden.
Was der Lifestyle heute in unsere Köpfe als "must-haves" pflanzt (u. a. Pool mit Gegenstromanlage und iPhone) und anschließend in Baumärkten abgeholt oder in Versandhäusern bestellt wird, hat als "Schöner Wohnen" in den frühen 1960er-Jahre begonnen: "In meiner Kindheit , als Skai-Leder bezogene Sessel und Max-Platten-Tische in den Wohnungen Einzug hielten, war es üblich, Besucher durchs Haus zu führen. Man ist in der Küche gesessen, zusammengedrängt auf der Eckbank, wo aufgetischt wurde, und hat dann nach dem Essen gemeinsam einen Blick ins Wohnzimmer geworfen, wo alles unberührt und schön war. Vielleicht ist meine Arbeit eine Referenz an diese Erinnerungen."

All for your Delight …
In diesen tiefgründigen Themenkomplex eingetaucht, gelingt es Hammerstiel immer wieder, prekäre Situationen heraufzubeschwören und sie in Bilder und Videos zu übersetzen, in welchen die Doppeldeutigkeit zum Kern der Aussage wird: von den oben erwähnten alltäglichen Wohn- und Lebensmodellen über Situationen, die von temporären Moden angeregt sind, wie das Second Life, bis hin zum Selbstverständnis mit dem unsere heutige Gesellschaft den totalen Zugriff auf alles, und das sofort, einfordert, wenn Hammerstiel z.B. Kinder bei Modellagenturen bucht, die auf Befehl für ihn und die Kamera weinen.
Aber bei aller Absurdität der Welt in Robert F. Hammerstiels Fotografien – wenn wir ehrlich sind: Letztlich ist jedes Leben ein Versuch, sich die Welt nach den eigenen Bedürfnissen maßzuschneidern und die eigene Rolle darin möglichst überzeugend zu spielen – nach dem Motto: Alles in bester Ordnung …

Ruth Horak