Das bei Kindern beliebte „Vater-Mutter-Kind“-Spiel nimmt trotz (oder gerade auf Grund) alternativer Lebensformen und vielfach erhöhten zwischenmenschlichen Konfliktpotentials grundsätzlich einen ähnlichen, nach festgeprägten Rollenzuweisungen sich abspielenden, friedlichen Verlauf. Die Industrie produziert zum Einüben gesellschaftlicher Konventionen von einem „normalen“ Leben das entsprechende Spielzeug, beispielsweise – wie in dem Video Playground I von Robert F. Hammerstiel in Szene gesetzt –, ein lebensgroßes, massenproduziertes Plastik-Spielhaus mit Gegenständen zum liebevollen Ausstatten und Dekorieren einer heimeligen Wohnwelt.
Das „Drama des Lebens“ ausschließend, bedient das Einfamilien-Spielhaus auf beängstigend homogene Weise die gängigen Vorstellungen von Glück, Harmonie, Geborgenheit und Gemütlichkeit. Der Spielverlauf ist deshalb bereits weitgehend vorprogrammiert, das Haus bietet so gut wie keine experimentellen Spielräume. Robert F. Hammerstiel geht den Weg des reduzierten künstlerischen Eingriffs, agiert bewusst als distanzierter Kameramann und nichteingreifender Beobachter. Ohne selbst Autor zu sein, lässt er Kinder in dem knallbunten Plastikhaus die vorhersehbare „Geschichte“ einer Kleinfamilie mit Haustier spielen. Die filmisch festgehaltene Handlungsweise der Kinder – die Rollenverteilung der Figuren und das Gestalten häuslicher Situationen – beinhaltet ein hohes psychologisches Potential. In ihrem Spiel artikulieren sich schon in frühester Kindheit vor- und eingeprägte bewusste und unbewusste Wert- und Geschmacksvorstellungen sowie das Anliegen, durch überschaubare Ordnungen Sicherheiten zu schaffen. Die undramatische Inszenierung des Hauses in neutraler Umgebung, der direkte Blick auf das Geschehen sowie die ästhetische, klare Präsenz der Bilder verleihen der inhaltlichen Aussage eine größtmögliche Deutlichkeit. Das gilt auch für das Video Tamburino Hotel. Es zeigt zwei Hamster in einem Käfig aus Plastik, der als Wohn-Spielanlage gestaltet ist. Der Mensch hat hier seine eigenen Vorstellungen vom netten, mit Palmen-Exotik aufgepeppten Eigenheim realisiert. Den Hamstern vermeintlich ein wohnliches Paradies schaffend, wurden in Wirklichkeit deren natürliche Bedürfnisse den menschlichen Vorstellungen von pflegeleichter, räumlich begrenzter, überschaubarer und störfreier Tierhaltung im Wohnbereich untergeordnet. Was der Mensch ist, könnte nicht deutlicher werden als in seinem Umgang mit den Dingen und Tieren, mit denen er sich umgibt.
Petra Noll