Es scheint alles in bester Ordnung zu sein in den Bildwelten von Robert F. Hammerstiel. In seinem Werk – Fotografien, Videos und Rauminstallationen – zitiert er aus der realen Welt, verbunden mit inszenatorischen Eingriffen. Das können ästhetische Ding-Inszenierungen, aber auch szenische Darstellungen sein. Mit seiner Arbeit thematisiert der Künstler die Sehnsüchte und Ängste des Menschen, seine tragische, immerwährende Suche nach Glück und Sinn im Leben. Diese Suche ist verbunden mit Strukturen von Ordnung, die sich jeder schafft, um Harmonie, Sicherheit, Geborgenheit und Orientierung zu finden. Das wiederum führt zur Schaffung von kleinen, überschaubaren Ersatzwelten – das eigene Heim, das Haustier, die Topfpflanze und andere glücksversprechende Güter. Die Unsicherheit der Menschen, sich eine eigene, einmalige Welt schaffen zu können bzw. der Wunsch, in einer schöneren, aufregenderen, außergewöhn-licheren Welt zu leben, führt die Werbe- und Entertainmentindustrie dazu, Glücksversprechen zu erzeugen, d. h. vorgefertigte Vorstellungen für alles, was den Menschen betrifft, in ästhetisch-suggestiven Bildern anzubieten. Tatsächlich handelt es sich bei den vermeintlich auf individuelle Angebote ausgerichteten Produkten um Massenwaren, Standarderzeugnisse, künstliche Welten, die Leben und Natur immer mehr ersetzen. Das Leben wird geordnet durch genormte Angebote, für die es eine Nachfrage gibt, die gewünscht und begehrt werden. Wie brüchig diese Ordnungen und Idyllen sind, darauf deuten zahlreiche Irritationen in den Arbeiten von Robert F. Hammerstiel. Die Thematik durchläuft sein Werk wie ein roter Faden. Wenn in dem Video „Alles in bester Ordnung IV“ eine vierköpfige Familie in ihrem scheinbar individuell gestalteten, in Wirklichkeit aber identitätslosen, austausch-baren Gartenhäuschen mit Kunstrasen und Plastikspielzeug glückliche Freizeit lebt, entlarvt Robert F. Hammerstiel diesen „paradiesischen“ Zustand durch bewusst undramatisch konzipierte Handlungsabläufe. Die Inszenierung der Protagonisten des Videos nach Ästhetik und Strukturen der TV-Werbung sowie die häufige Wiederholung von banalen Tätigkeiten und Sätzen macht die Adaption stereotyper Muster und Ordnungen sowie die Kommunikationslosigkeit zwischen Menschen deutlich. Allzu schön geordnet sind auch die in gleichförmigen Reihen aufgestellten 126 Yucca-Palmen der Ready-made-Installation „Alles in bester Ordnung II“. Diese vor allem in den 90er Jahren beliebte Wohnzimmerpflanze wird in einem automatisierten Herstellungsprozess in Masse produziert. In ihr artikuliert sich der Wunsch nach Exotik im eigenen Heim. Tatsächlich ist die Yucca-Palme aber nur ein pflegeleichtes, standardisiertes, künstlich hergestelltes, immer gleich aus-sehendes Dekorationselement, das die Sehnsucht nach Natur ad absurdum führt. Wenn Robert F. Hammerstiel in einer „endlos“ dahingleitenden Kamerafahrt durch die sonnendurchflutete, menschenleere Fertighaussiedlung „Blaue Lagune“ fährt, eröffnet sich die Trostlosigkeit dieser als Ideal für ein schöneres Wohnen in zahlreichen Standardmodellen konzipierten Musterhäuser mit ihren präzise abgezirkelten Vorgärtchen, regulierten Wasserbereichen, dekorativ gestalteten Terrassen und Hauseingängen. Alles ist sauber, geordnet, glatt, weit entfernt davon, lebendiges Leben zuzulassen. Wie das Ende aller Sehnsüchte, Phantasien und Träume aussieht, zeigen die von Robert F. Hammerstiel in der Fotoserie „Private Stories I“ in den Räumen dieser Fertighäuser inszenierten Menschen. Mimik und Posen signalisieren ihre Verlorenheit in nach standardisierten Vorstellungen konzipierten Räumen. Sie sind nicht integriert, stehen, sitzen, liegen nur herum, scheinen die Räume nur auszuhalten. Auch die Kinderstadt Minopolis, eine Miniaturausgabe der Erwachsenenwelt, wo Robert F. Hammerstiel für seine Fotoserie „New Tales of Pleasantville“ fotografiert hat, ist eine Kulissenstadt. Hier können Kinder Berufe kennenlernen; sie werden dabei in Rollen-, Verhaltens-, Geschmacks-, Sinn- und Werte-Ordnungen unserer Gesellschaft wie Leistungsdenken, Konsum, Entertaiment und Werbung eingeführt. Sie üben sozusagen gesellschaftliche Konventionen ein – in einem vorprogrammierten, kaum individuelle Experimente zulassenden Spielverlauf und mit suggestiven Mitteln und deshalb umso wirksamer und nachhaltiger. Die von Robert F. Hammerstiel bewusst tatenlos inszenierten Kinder drücken in Mimik und Haltung aus, welche Auswirkungen ein allzu vorgeordnetes, kontrolliertes Leben haben kann – eine Weiterführung der Videoarbeit „Playground I“ bzw. der Foto-/Textserie „Private Territories“, in denen im Spiel der Kinder deutlich wird, was ihnen im Alltag an Ordnungsprinzipien vermittelt wurde.
Petra Noll